sein. nicht sein. da sein. des seins bewusst sein. was ist das existieren im sein, werden und vergehen. wie lange vergeht man? wann vergeht man? ist nicht auch sein im werden und werden im vergehen? der geist, der dies zu erfassen sucht erscheint doch selbst ein opfer der zeit, die alles verändert. leben und tod. ein naturgesetz einerseits und doch ein wandel, den wir gestalten können. dem wir gestalt geben und nehmen können. dahin schmelzend und sich auflösend. versinken. wieder auferstehen. mit ewtas glück und etwas zeit sind wir doch mehr als NUR eine figur.
hd projektion/beamer/videoplayer
2,5 x 1,4 m
19:38 loop
Edition of 5
2010
Auf Ralf Kopps Website findet sich ein letztes Jahr geschaffener Film, betitelt "geburt und tod eines fotografen". Genauer gesagt, wir bekommen dort die auf ca. 1 Minute komprimierte Version des etwa 30 Minuten langen Originals geboten. Zu sehen ist zunächst eine Garbe von züngelnden Flammen. Dann zeichnet sich darin ein Klümpchen Etwas ab, ja, ein Klümpchen Mensch, das sich, während die Flammen erlöschen, langsam ruckhaft erhebt und aus dem Formlosen ausformuliert, bis wir unzweideutig einen Fotografen erkennen, komplett mit seiner Stativ-Kamera. Nur um zu verfolgen, wie der Mensch, kaum daß er ein paar Augenblicke da war, niedersinkt und wieder zu dem Klümpchen Etwas vergeht, das zum Schluß verschlungen wird von den neu entfachten Flammen. Mein Gott, werden die Mitfühlenderen unter Ihnen jetzt zusammengezuckt sein, welches notleidende Modell hat sich da von Ralf Kopp zu dieser Kamikaze-Aktion beschwatzen lassen? Während bei den Kunstbeflisseneren unter ihnen die Erinnerungsrädchen ins Rattern geraten, ach, da gibt es doch den weltberühmten Bill Viola, auch so ein Videokünstler, der - wie man in seiner Retrospektive vor zehn Jahren in der Frankfurter Schirn sehen konnte - die Elemente Feuer und Wasser, im Zusammenhang von Situationen auf Leben und Tod, quasi für sich gepachtet hat!
Dennoch verrät uns der von mir beschriebene Videofilm, daß es sich bei Ralf Kopp keineswegs um einen Bill-Viola-Epigonen handelt. Zwar läßt der auf der Website beigefügte Kommentartext keinen Zweifel am existentiellen Ernst des Anliegens. Zitat: "Ist nicht auch Sein im Werden und Werden im Vergehen?" Charakteristisch aber für den Kopp'schen Ansatz ist ein unsere Erwartungen unterlaufendes, spielerisches Moment. Spielerisch in dem Fall wortwörtlich: Es ist nämlich eine Playmobil-Figur, die Ralf Kopp samt Fotografenausrüstung aus dem gleichen Spielzeugkatalog offenbar auf eine superheiße Platte gestellt und erst zur Verflüssigung, dann zur Selbstentzündung gebracht hat. Der erste Teil des Films ist bloß der Rückwärtslauf des zweiten, sprich: des eigentlich aufgenommenen Geschehens. Wie man sich wiederum auf der Website überzeugen kann, nicht der einzige Playmobil-Figurentyp, den der Künstler seiner Phönix-aus-der-Asche-, Phönix-in-die-Asche-Dramaturgie unterworfen hat. Insgesamt eine Mahnung an unser aller Vergänglichkeit, ein Memento Mori, wie es in der Kulturgeschichte heißt, doch präsentiert in einer Weise, daß man die sukzessiven Phasen und Metamorphosen mit bestem Gewissen fasziniert verfolgen kann. Denn einerseits wird da eine grausame Wahrheit unerbittlich vorgeführt, andrerseits ist der Akteur nicht Fleisch und Blut, sondern 100% Plastikguß.
Der Fotograf, der da zum ewigen Kreislauf von Sterben und Wiederauferstehen verdammt ist - hat Ralf Kopp da etwa an sich selbst gedacht? Wohl nicht im streng biographischen Sinne. Mit künstlerischer Fotografie beschäftigt er sich erst seit ein paar Jahren. Der Auswahl nach zu urteilen, gilt sein Interesse der Vergrößerung und damit Heraushebung von Details der Wirklichkeit, die man oft übersieht. So die geradezu plastische Qualität bestimmter Teile der Insektenanatomie, wie vielfach spornbesetzte Beine, überproportional riesige Augen, Fühler, Hörner, Flügel. Übernatürliche Groteskgebilde, dennoch vollkommen natürlich, wundersame Einfälle der Schöpfung, dennoch alles zweifellos im Überlebenskampf funktional bedingt. Zurück zu Ralf Kopps fotografischer Identität. Sie steht unerschütterlich, auch wenn bei ihm dem Videofilm chronologisch und schwerpunktmäßig die wichtigere Rolle zufällt. Jahrgang 1973, erklärt er dazu: "Ich finde [ihn] für mich - jemand, der mit drei Fernsehprogrammen aufgewachsen ist - das richtige Medium." Doch schließlich beruhen auch Fernsehen und Video auf fotografischen Bildern, nur eben in Abfolge und Bewegung versetzt. Weswegen es eine umfassend zu verstehende Definition ist, wenn der Medientheoretiker Vilem Flusser einmal über unsere Gesellschaft gesagt hat: "Wir sind Bewohner des fotografischen Universums."
Jahrgang 1973, gehören Playmobil-Produkte zu Kopps Generation von Kindheit - sie erlebten ihr Debüt auf der Spielwarenmesse im Jahr darauf.
white plexi/glass/videoplayer
300 x 300 mm
30:35 loop
Edition of 5
2009
white plexi/glass/videoplayer
300 x 300 mm
29:22 loop
Edition of 5
2009
white plexi/glass/videoplayer
300 x 300 mm
22:43 loop
Edition of 5
2009
Das Thema von "Sein und nicht sein, das ist hier die Frage" wird vielfach ausgelotet. (Unter Bezugnahme auf die stark gekürzte Internet-Fassung des Videofilms ist zu erwähnen, dass die Videofilme in der realen Installation 30 Minuten oder länger dauern können.)
In der Arbeit mit dem Titel "Geburt und Tod eines Arztes" ist der Hauptdarsteller ein kleines Playmobil-Männlein, mit weißer Kleidung und einem Arztkoffer. In der ersten kurzen Szene liegt es auf dem Rücken. Dann steht es auf, um Minuten später wieder umzufallen. Geburt und Tod - so schnell kann es gehen - eine Lebens-Komprimierung ohne Zeitraffereffekte, für die jeweiligen Darsteller mit tödlichem Ausgang. Andere 30-minütige Tragödien zeigen Geburt und Tod eines Polizisten, oder Geburt und Tod einer Gräfin. Ralf Kopp installiert, fotografiert, objektiviert, animiert, experimentiert und manifestiert. Alles in allem wird das bereits Vorhandene neu konstruiert, in den Kontext der Gegenüberstellung gebracht und in mannigfaltiger Variation zu einem technisch hochgradig ausgefeilten, künstlichen Leben erweckt, das Grundsätzliches spielerisch in Frage stellt.
(c) Text Florinda Ke Sophie, Graz 2009